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Der perfekte Pitch – nur Chefsache?

Roland Bös im Gespräch mit Patricia Nassauer über die Rolle und den Beitrag des Projektmanagements für einen erfolgreichen Pitch auf Agenturseite.

Natürlich sind eine überzeugende und begeisternde Kreation und Strategie bei einem Pitch entscheidende Erfolgsfaktoren. Welchen Beitrag kann aber auch das Projektmanagement für einen erfolgreichen Pitch leisten?

Kundenberatung oder Projektmanagement sollte den ganzen Prozess im Blick haben und ihn am Laufen halten. Und während Strategie und Kreation sich zunächst voll auf die Zielgruppe des Kunden und Lösung der Pitchaufgabe konzentrieren, ist es die Verantwortung der Beratung und des Projektmanagements sich die Zielgruppe der Agentur anzuschauen, nämlich die Auftrageber*innen. Wie, wo, wann und vor wem wird präsentiert? Wie ticken diese Menschen?

Du hast lange selbst in großen Agenturen gearbeitet und trainierst heute Kundenberatung/Projektmanagement. Wie gut sind Agenturen aus Deiner Sicht im Projektmanagement heute aufgestellt?

Wenn es um die Qualität des Projektmanagements, also das Umsetzen der Projekte nach gegebenen Budgets, Timings und Qualität geht, sind Agenturen grundsätzlich gut aufgestellt. Wenn es aber um eine umfassendere Kundenberatung mit dem Ziel des langfristigen Wachstums der Kunden und Agentur, dem Aufbau guter zwischenmenschlicher Beziehung und Austausch mit Kund*innen auf Augenhöhe geht, ist das in manchen Agenturen aktuell ein Pain Point.

Woran liegt das?

Der Aufbau von Beziehungen und Vertrauen braucht Zeit und dafür ist in dem täglichen Projektgeschäft oft wenig Zeit. Aktuell kommt noch dazu, dass viele Agenturen hier momentan personell zu schmal aufgestellt sind. Gerade in diesen Bereichen finden sich die meisten offenen Stellengesuche.

Was sind aus Deiner Sicht die häufigsten Fails bei der Durchführung eines Pitches auf Agenturseite?

Pitchphasen sind in den meisten Fällen kurze Zeiträume von wenigen Wochen. Wenn dann nicht gleich zu Beginn die Verantwortlichkeiten, Entscheidungsprozesse und die personelle Aufstellung geklärt werden, ist ein chaotischer Prozess mit einem im schlimmsten Fall nur mittelmäßigen Ergebnis vorprogrammiert.

Der zweite größte Fail ist ein Mangel an Vorbereitung. Dazu gehört alles rund um den Tag des Pitches, Rehearsal und, wie schon gesagt, die Auseinandersetzung mit den Entscheider*innen auf Kundenseite, an die sich die Pitchpräsentation richtet. Zur Vorbereitung zählt im Übrigen auch zu prüfen, ob es eine Idee schon mal gab oder ob eine Idee rechtlich umsetzbar ist.

Und ein weiterer kleiner Reminder an dieser Stelle: Das originale Kundenbriefing sollte spätestens zur Mitte der Pitchphase noch mal gelesen werden. Oft liest und versteht man viele Dinge anders, nachdem man sich in die Aufgabe und Marke eingearbeitet hat.

Wie können Projektmanager*innen helfen, die „PS“ eines Teams auch wirklich auf die Straße zu bringen?

Den Unterschied machen ganz viele Kleinigkeiten. Wichtig ist von Anfang an die Einbindung aller Beteiligten. Dann auch gleich zu Beginn die Klärung des Budgets für die Pitchphase, das Aufstellen des internen Timings, das Blocken der Termine in allen individuellen Kalendern etc.

Bewährt hat sich auch die Definition eines ‚Point of no Return‘. Also dem Zeitpunkt, an dem das Team der Agentur entscheidet, welche konzeptionelle Route verfolgt und für die Präsentation ausgearbeitet wird.

Natürlich kann sich im kreativen Prozess immer was Neues ergeben und das Timing gerät ins Schwanken. Aber dann ist es aus meiner Sicht die Aufgabe des Projektmanagements, klar an alle Beteiligten zu kommunizieren, was die Konsequenzen sind und den Endspurt neu zu takten.

Können auch junge Talente bei einem Pitch eingebunden werden oder ist das gerade in der momentanen Situation eher etwas für die erfahrenen „Dienstgrade“ in einer Agentur?  

Na klar, können junge Talente ran! Zum einen bringen sie neue Perspektiven mit und wenn sie zum Beispiel die Zielgruppe des Kundenproduktes sind, sollten sie durchaus auch bei der Kundenpräsentation dabei sein. Denn nichts ist überzeugender, als wenn Kund*innen Insights aus der Genz Z auch direkt von der Gen Z hören.

Was hat sich durch die Pandemie bei der Organisation von Pitches verändert?

Das Zusammenarbeiten und die Projektsteuerung sind nach meiner Beobachtung tendenziell gleich geblieben – natürlich unter Berücksichtigung von Nutzung neuer Tools durch Homeoffice.

Was sich aber verändert hat, sind die Pitchpräsentationen. Viel mehr Technikcheck vorab ist gefordert und Präsentationen selbst brauchen andere Dramaturgien. Einfach in einem Konfi 60 bis 90 Minuten zu präsentieren geht nicht. Agenturen, die wissen wie man Online-Meetings moderiert und durch kleine „Interaktions-Hacks“ sicherstellen, dass die Aufmerksamkeit von Kund*innen immer zu 100% da ist, sind heute im Vorteil.

Beim Remote-Präsentieren sehe ich nicht, ob jemand parallel eigentlich gerade seine E-Mails abarbeitet. Es hilft, zu Beginn des Termins alle willkommen zu heißen und dabei persönlich anzusprechen. Und nach zehn bis 15 Minuten kann man die Präsentation auch einfach mal anhalten und fragen, ob es bis hierhin Fragen gibt. Charts mit interessanten Aussagen oder Daten können zum Anlass genommen werden, Kund*innen aktiv nach ihrer Einschätzung zu fragen, anstatt alles, wie sonst üblich, einfach durch zu präsentieren. Bei großen Gruppen kann man dafür gut den Chat nutzen, bei kleinen Gruppen funktioniert das auch über Mikros.

Sind diese Pitch-Hacks Aufgabe des Projektmanagements?

Nicht direkt. Aber spätestens beim Prozess und beim internen Proben der Präsentation können solche Impulse helfen, dass das Team beim Termin mit dem Kunden den entscheidenden Unterschied macht.

Patricia Nassauer war über 25 Jahre Kundenberaterin bis hin zur Geschäftsleiterin in unterschiedlichen Agenturen (u.a. Bates, Atletico Barcelona, MetaDesign, FCB und Serviceplan). Seit zwei Jahren trainiert sie als Selbstständige Agenturteams und seit diesem Jahr auch an der Miami Ad School Europe. Beim GWA hat sie 2019 das Forum Beratung initiiert und ist seitdem Sprecherin des Forums.