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Marke und Abverkauf: zwei Seiten derselben Medaille

Anlässlich des 40jährigen Effie-Jubiläums haben wir mit Hans-Christian Schwingen gesprochen. Schwingen ist ein vielfach national und international ausgezeichneter Markenexperte. Er war bis 2020 Chief Brand Officer der Deutschen Telekom und hilft heute Unternehmen bei der Revitalisierung und Sanierung von Marken. Zusammen mit Nina Rieke hat er das Buch „Wie Werte Marken stark machen“ geschrieben, das im Oktober im Haufe-Verlag erscheint.

1) Erinnern Sie sich, wann Sie zum ersten Mal mit dem Effie in Berührung gekommen sind?   

Ende der Achtziger beim Betreten des Foyers von GREY. Dort hingen schon einen Tag nach der Effie-Verleihung A1-Plakate, auf denen der CEO Bernd M. Michael höchstpersönlich voller Stolz die Agentur und ihren Kunden Melitta für den Gewinn eines Effie feierte. Da dachte ich mir schon, dass das wohl etwas Besonderes sein müsste.

2) Welche Bedeutung hatte der Effie damals in Ihrer Zeit bei Springer & Jacoby? Die Agentur war damals sehr erfolgreich beim Effie. 

In meiner Erinnerung legte man anfangs mehr Wert auf Kreativ-Awards, vor allem die ADC-Nägel. Die ‘Entdeckung’ des Effie kam erst etwas später, als sich die Agentur auch in der Beratung stärker aufgestellt hatte.

3) Sie sind 1999 auf Kundenseite zu Audi gewechselt. Sehen Marketer auf Unternehmensseite die Auszeichnung für nachweislich erfolgreiches Marketing anders?

Der Effie genießt in Unternehmen nicht um seiner selbst willen Anerkennung, sondern nur dann, wenn er von den Markenverantwortlichen in die Organisation „hineinvermarktet“ wird. Je mehr sich ein Auftraggeber aktiv in die Aufbereitung eines Effie-Cases einbringt und dabei auch schon den Schulterschluss mit dem Vertrieb sucht, desto größer die spätere ‘Reputationsausbeute’ nach innen. Denn Marke und Abverkauf sind zwei Seiten derselben Medaille.

4) Sie waren von 2007 bis 2020 Chief Brand Officer bei der Deutschen Telekom, die in den letzten vier Jahrzehnten zehn Mal Bronze, sieben Mal Silber und vier Mal Gold gewonnen hat. Nur sehr wenige Unternehmen waren erfolgreicher beim Effie Germany. Warum haben Sie sich so oft dem Wettbewerb gestellt? 

Genau aus diesem Grund. Es ist schön zu sehen und macht stolz, wenn man auf der Effie-Homepage als eine der zehn erfolgreichsten Marken der Jahre 2010 bis 2020 aufgeführt wird – neben anderen großen Marken wie z. B. Ikea, McDonald’s, Edeka oder BMW.

5) Warum waren Sie so erfolgreich? Welchen Wertbeitrag hat Marketing-Kommunikation für den Unternehmenserfolg der Telekom geleistet? 

Die Telekom ist in puncto Markenstrategie so erfolgreich, weil sie eine über das gesamte Unternehmen committete Story hat, nämlich die kontinuierliche Entwicklung von einer reinen Technologiemarke hin zu einer kundenorientierten Erlebnismarke im Sinne von „Erleben, was verbindet“. Die Mitarbeitenden haben verstanden, dass der Inszenierung der Marke aufgrund deren Intangibilität eine sehr hohe Bedeutung zukommt. Isoliert betrachtet könnte man meinen, dass es sich bei Awards um nette „Nice-to-haves“ handelt, von denen man sich allenfalls ein bisschen Ruhm und Ehre abschneiden kann. Im Kontext eines harten Wettbewerber-Umfelds sieht die Sache schon anders aus. Denn dann sind die Auszeichnungen durchaus Ausdruck eines starken Unternehmens, das erfolgreich am Markt agiert und attraktiv für Geschäftspartner und Investoren ist. Aber für die Durchdringung dieser Sichtweise müssen die Markenverantwortlichen eben ständig missionarisch unterwegs sein.

6) Der Effie wird hierzulande vom Agenturverband GWA vergeben. Welche Rolle müssen Agenturen heutzutage aus Ihrer Sicht für Ihre Kunden einnehmen, um gemeinsam erfolgreiches Marketing zu gestalten? Was zeichnet den richtigen Agenturpartner aus?

Über die Agentur-Kunde-Beziehung gibt es ganze Bücher, jüngst beispielsweise von Mirjam Jentschke und Cornelia Kunze herausgegeben. Meiner Meinung nach verlangt die zunehmende Spezialisierung in der Kommunikation von wahren Agentur-Partnern vor allem die Fähigkeit und den Willen, mit anderen Akteuren außerhalb der eigenen Expertise zu kollaborieren sowie Projekte integriert zu Ende zu denken und zu managen. Das setzt selbstredend voraus, dass auch die Auftraggeberseite entsprechend aufgestellt sein muss, denn Agenturen sind weder strukturelle noch prozessuale Lückenfüller.

7) Welche Rolle sollte der Effie in Zukunft einnehmen? 

Vergesst vor lauter Gewerken, Disziplinen und Kanälen nicht den Blick aufs große Ganze. Im Grunde genommen geht es ja nicht nur um den Nachweis der Effektivität von Marketing-Kommunikation, sondern von Marken. Und die stehen heute mehr denn je unter einem gewissen Rechtfertigungsdruck. Der Umstand, dass es den Befragten der von Havas durchgeführten „Meaningful Brands“-Studie reichlich egal wäre, wenn drei Viertel aller Marken einfach vom Markt verschwänden, sollte alle Alarmglocken schrillen lassen.


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Von Simone Reifenberger (GWA)